Zukunftsvisionen intersektional

Wie wollen wir in Zukunft leben, lieben, wohnen, arbeiten? Wie schaffen wir gerechtere Lebensbedingungen für alle Menschen und auch für mehr-als-Menschen? Die Reihe bietet die Möglichkeit, diese Fragen auf vielfältige Weise zu beantworten:

  • Im Austausch mit Theorien aus den Science and Technology Studies (STS), Posthumanismus und Dekolonialismus (Autor*innen sind u.a. Donna Haraway, Karen Barad, Astrida Neimanis, Rosi Braidotti, Gayatri Spivak oder Báyò Akómoláfé).
  • Durch die Auseinandersetzung mit utopischen ebenso wie dystopischen Fantasien in Science Fiction und digitalen Medien sowie
  • im eigenen kreativen Ausdruck mit den Themen etwa durch die Methode des kritischen Kartierens.

Dabei setzt sich die Veranstaltungsreihe „Zukunftsvisionen intersektional“ aus einer Informationsveranstaltung zu Beginn, drei Workshops und einer Exkursion zusammen.

Für Masterstudierende der Gender Studies kann die Reihe als „Vorlesung Freiburger Geschlechterstudien mit Begleitseminar“ für 8 ECTS besucht werden. Der Titel des Begleitseminars lautet „Intersektionale Horizonte: Post-Apokalyptische Visionen und ihre Rolle in der Wissenschaftskommunikation“. Dieses von Anna Sator angebotene Seminar kann alternativ auch unabhängig von der Veranstaltungsreihe „Zukunftsvisionen intersektional“ als „Masterseminar zu Gender in den Technik-, Natur- und Medizinwissenschaften“ angerechnet werden.

Mi 15.05.2024 16-18 Uhr 
Auftakt
Zukunftsvisionen intersektional

                                  Marion Mangelsdorf

In diesem Auftakt gehe ich auf grundsätzliche Fragen ein, vor allem nach einem kritischen Posthumanismus angesichts des Anthropozäns. Umstritten bleibt unter Geolog*innen, ob das Erdzeitalter, in dem wir uns seit 1950 befinden als ‚Anthropozän‘ bezeichnet werden kann. Unumstritten ist jedoch, dass die Auswirkungen technologischer Entwicklungen von der Dampfmaschine, Atombombe bis zur KI maßgeblich dafür ist, wie sich Leben auf der Erde ausgestaltet oder auch nicht. Angesichts dessen ist nicht verwunderlich, dass apokalyptische Szenarien in Science (and) Fiction en vogue sind.

Diese zeitgenössischen Herausforderungen nehmen kritisch-posthumanistische Theoretiker*innen näher in den Blick: u.a. Rosi Braidotti, Gayatri Spivak, Báyò Akómoláfé und Donna Haraway. Die genannten Forscher*innen setzen sich in diesem Zusammenhang mit antihumanistischen Haltungen auseinander, wie sie bereits Michel Foucault in den 1970er Jahren vertreten hat. Er argumentierte, dass der Humanismus dazu neige, Machtbeziehungen zu verschleiern, individuelle Unterschiede und Vielfalt zu vernachlässigen (Foucault 1971/1976). Dieser Kritik schließen sich Posthumanist*innen an. Spivak verweist bspw. scharfzüngig auf den geschwächten, aber hegemonialen Eurozentrismus des „Ex-Manns“ (ex-Man) hin (Spivak 1987). Und mit Blick auf postkoloniale und feministische Theorien streicht Braidotti heraus, dass das Posthumane darauf ziele, ein alternatives Konzept hervorzubringen. Ein Konzept, das auf verleiblichte (embodied) und eingebettete(embedded) Darstellungen vielschichtiger Machtbeziehungen ziele, die unser ‚Posthuman-Werden‘ ausmachen würde (Braidotti 1991/2014). – Was bedeutet das? Was bedeutet das für Zukunftsvisionen angesichts des so genannten Anthropozäns? 

Mi 19.06.2024 14–18 Uhr / Co-Creation Raum
Workshop I

Das Anthropozän –
anti-, post- und neohumanistische Positionen

  Marion Mangelsdorf 

In einem ersten Theorie-Part des Workshops widmen wir uns verschiedenen Textauszügen der zuvor bereits genannten Theoretiker*innen, um uns gemeinsam ihren Gedanken zum Posthuman-Werden anzunähern. Dabei setzten wir uns insbesondere damit auseinander, dass sie die Notwendigkeit des Innehaltens, der Ruhe, Selbstsorge und von Spielräumen betonen, um sich von den Zwängen der Gesellschaft frei zu machen. Nur auf diese Weise könnten wir Formen des Widerstands und der Solidarität entwickeln. Eine Solidarität, bei der auch mehr-als-Menschen mit bedacht werden. Am Bespiel der Aktionsgruppe No Humboldt 21, die sich kritisch mit dem 2021 eröffneten Humboldt Forum in Berlin befasst, konkretisieren wir die Theoriedebatte entlang aktueller Diskurse. – Was bedeutet Posthuman-Werden?

         In einem zweiten Methoden-Part beschäftigen wir uns damit, wie wir Alternativen zur „Geopolitik des Wahrnehmens und Erkennens“ (Mignolo 2011) entwickeln und „Methoden dekolonialisieren“ (Kaltmeier/Berkin 2012) können. Wir lernen folgende Ansätze kennen: Trinh T. Minh-ha’s videografische Erkundungen des ‚speaking nearby, not about’ und was für sie ’inappropriate/d other‘ (dt. ‚un/an/geeignete Andere‘) bedeutet (2001); die Etho-Ethnografie von Natasha Fijn, um ein ‚multispecies knowledge‘ voranzubringen (2011); spekulative Narrationen‘ von Donna Haraway, in denen sie Science (&) Fiction zusammenwebt (2018 [2016]); ‚Emergente Strategien‘ von Adrienne Maree Brown die Theorie und Aktivismus verbindet (2017/2019) und ‚Kritisches Kartieren‘, das partizipative Prozesse befördert (). An dieser Stelle lasse ich auch Beispiele der letzten Archikturbiennale in Venedig 2023 miteinfließen, die von Lesley Lokko mit dem Titel Laboratory for the Future kuriert wurde und künstlerische Positionen kritischen Kartierens gezeigt hat, um Prozesse der Dekolonisierung und Dekarbonisierung voranzubringen.

Fr 21.06.2024 Exkursion + Film mit CAPAS Heidelberg

Das Zentrum des Käte Hamburger Kollegs für Apokalyptische und Postapokalyptische Studien in Heidelberg zeigt im Rahmen ihres Kinoprogramms die Verfilmung von Marlen Haushofers „Die Wand“, der unter anderem ökofeministische Perspektiven aufwirft und sich nicht als klassische Apokalypse zeigt. Vor dem Screening des Films werden die Studierenden am Mittag die Möglichkeit, Einblicke in die Forschungsarbeiten der Fellows am CAPAS zu bekommen und sich in einem zweiten Teil nach einer Einführung in die Grundlagen der Wissenschaftskommunikation, selbst in diesem Feld auszuprobieren. In einer Werkstattsitzung wird es die Möglichkeit geben, sich mit der Planung von eigenen Zines, Social Media Content und/oder Interviews zu beschäftigen. Möglichkeiten hierfür wären beispielsweise mediale Vergleiche von Roman und Film „Die Wand“, Interviews mit den Fellows oder der für den Film geladenen Wissenschaftlerin. Des weiteren können auch Aufbereitungen von einzelnen Aufsätzen und/oder Theorietexten geplant werden.

Mi 26.06.2024 16–20 Uhr / Co-Creation Raum 
Workshop II 

Apocalypse Aesthetics in
everyday digital culture

TBA

                                   Ana Clara Alves         

Fr 05.07.2024 14–18 Uhr / Co-Creation Raum
Workshop III 

Jenseits des Anthropozäns oder
Cyborg-Werden?

                                   Marion Mangelsdorf 

In diesem dritten Praxis-Workshop wenden wir uns dem eigenen Posthuman-Werden zu. Was bedeutet das für uns persönlich? Dieser Frage kann in Einzel- oder Gruppenarbeit nachgegangen werden. Hier ist ein kreativer und spielerischer Umgang mit dem Thema erwünscht; eine der vorgestellten Methoden oder eine ‚mixed method‘ kann selber erprobt und dadurch weiter vertieft werden, um sich der Frage anzunähern, was bedeutet für mich ‚Posthuman-Werden‘ oder ‚Cyborg-Werden‘?


Begleitseminar
Postapokalypsen – Science, Technology & Fiction | 06LE42S_SoSe24_SF

Do 16:00 – 20:00 c.t. (14-täglich ) in R 00 003C (Hermann-Herder-Straße 9)
Lehrperson: Anna Sator

Intersektionale Horizonte: Post-Apokalyptische Visionen als utopische Potentiale?
Das Seminar wird sich mit unterschiedlichen medialen Repräsentationen post-apokalyptischer Visionen aus intersektionaler Perspektive auseinandersetzen – das heißt, dass die Untersuchungsgegenstände hinsichtlich der ihnen eingeschriebenen Differenzkategorien und deren Machtachsen betrachtet werden. Neben unterschiedlichen methodische Zugängen der Gender Studies – vor allem der Literatur- und Kulturwissenschaften – soll der Fokus vor allem auf die interdisziplinäre Verbindung mit den Feminist Science Technology Studies (FSTS) liegen. Zudem wird das Thema Wissenschaftskommunikation einen Schwerpunkt bilden. Das Seminar umfasst sieben Sitzungen und eine Exkursion nach Heidelberg an das Käte Hamburger Kolleg für Apokalyptische und Postapokalyptische Studien (CAPAS).
Studierende der Gender Studies können die Veranstaltung als Begleitseminar zu den Freiburger Geschlechterstudien (4ECTS) ODER als Masterseminar belegen (10 ECTS). Für Studierende anderer Fächer können entsprechend den gewünschten ECTS die erforderlichen Leistungen angepasst werden.

Vorläufiger Sitzungsplan:
Do 18.04.2024 16:00 – 20:00 Hinweise zum Seminar + theoretische Einführung

Do 02.05.2024 16:00 – 20:00 More-Than-Humans: Octavia Butlers Dawn (Roman) | Sweet Tooth (Graphic Novel & Serie) | Endzeit (Comic & Film)

Do 16.05.2024 16:00 – 20:00 Growing up in the Post-Apocalypse: The Tribe (Serie) | I Am Mother (Film)

Do 13.06.2024 16:00 – 20:00 Klima – Extreme: Snowpiercer (Comic, Serie, Film) | Tank Girl (Film) | Hell (Film)

Fr 21.06.2024 ganztätig Exkursion ins CAPAS (Meet the Scientist & kreative Formate in der Wisskomm) am Abend Screening Die Wand mit Filmkommentar von Dr. Elisabeth Kargl

Do 27.06.2024 16:00 – 20:00 Playing (in) the Post-Apocalypse:Stray (Computerspiel) | Far (Computerspiel)

Do 11.07.2024 16:00 – 20:00 Puffersitzung

Zu erbringende Leistungen:
10 ECTS: aktive Teilnahme am Seminar, Moderation eines Sitzungsteils + schriftliche Leistung –entweder eine klassische Hausarbeit mit 15-20 Seiten oder eine kreative Aufarbeitung des Themas + ca. 5 Seiten wissenschaftliche Reflexion derselben
4 ECTS: aktive Teilnahme am Seminar, Moderation eines Sitzungsteils + schriftliche Leistung nach Absprache

Zur Vorbereitung wird erwartet, dass sich die Studierenden mit folgenden Medien vertraut machen:
Literatur
Butler, Octavia E.: Dawn (= Xenogenesis series, book one), New York, NY: Grand Central Publishing 1987.
Haushofer, Marlen: Die Wand. Roman, Berlin: Ullstein 2016.
Lemire, Jeff: Sweet tooth, Stuttgart: Panini Comics 2021.
Lob, Jacques/Legrand, Benjamin/Bocquet, Olivier: Snowpiercer. The complete graphic novel collection, London: Titan Comics 2020.
Martin, Alan C.: Tank girl – colour classics, Leipzig: Kult Comics 2021.
Vieweg, Olivia: Endzeit (= Carlsen comics Graphic novel), Hamburg: Carlsen 2018.
Filme
Hell (https://www.imdb.com/title/tt1643222/ 2011, R: Tim Fehlbaum).
Endzeit (https://www.imdb.com/title/tt7224520/ 2018, R: Carolina Hellsgård).
Snowpiercer (https://www.imdb.com/title/tt1706620/ 2013, R: Bong Joon-ho).
I Am Mother (https://www.imdb.com/title/tt6292852/ 2019, R: Grant Sputore).
Tank Girl (https://www.imdb.com/title/tt0114614/ 1995, R: Rachel Talalay).
Serien
Sweet Tooth (https://www.imdb.com/title/tt12809988/ 2021-2023, R: Jim Mickle/et. al.).
The Tribe (https://www.imdb.com/title/tt0274988/ 1999–2003, R: verschiedene).
Snowpiercer (https://www.imdb.com/title/tt6156584/ 2020-2023, R: verschiedene).
Computerspiele
https://stray.game/
https://www.far-game.com/
Die Hinweise zur einführenden und für die Sitzungen spezifischen Sekundärliteratur werden auf ILIAS eingepflegt.



Beitragsfoto: © Marion Mangelsdorf, Futurium Berlin 2024