Methode: Gruppendiskussion

● Ziel ist die Erhebung konjunktiven Wissens bzw. des kollektiven
Orientierungsrahmen, nicht die Erhebung vom subjektiven Sinn wie bei
versch. Interviewformen

● Relevanzsysteme derjenigen kommen zur Sprache, die der Gegenstand
des Forschungsinteresses sind

● Individualmeinungen von sozialen Kontexten abhängig, es gibt also
kollektive Orientierungsmuster die in einer Gruppendiskussion sichtbar
werden

● Gruppendiskussionsverfahren bieten die Möglichkeit, in
mikrosoziologischer Hinsicht auf jene sozialkontextuellen und
sozialkonstruktiven Bezüge von subjektiven Relevanz- und
Wissenssystemen und auf den Prozess ihrer Aushandlungen bzw.
Herstellung (Genese) zu fokussieren

● Der Vorteil von Gruppendiskussionen mit Realgruppen ist, dass sie
konjunktives Erfahrungswissen in Aktion erheben können, also
Interaktionen bzw. konjunktive, praxeologische Wissen der kollektiven
Akteure und Akteurinnen ausdrückt

● Gruppendiskussionen beobachten soziogenetische Sinn(re-)konstruktion
von informellen situationsunabhängigen Gruppenmeinungen bzw.
sozialen Konsense

● Gruppendiskussionen können als explorative Verfahren zur Vorbereitung
standardisierter Erhebungen dienen oder als eingeständiges oder
komplementäres Verfahren realisiert werden; kann Cross-Validierung,
Integration, Differenzierung oder Korrektur von Ergebnissen dienen

● Gruppendiskussionen können methodologisch unterschiedlich gelagerte
Ziele diesbezüglich haben, was sie jeweils erheben wollen;

folglich 4 Varianten:

Das Gruppendiskussionsverfahren als Erhebungsinstrument von Einzelmeinungen im kommunikationsförderlichen Gruppenkontext (Pollock)

  • Pollock unterscheidet öffentliche und nicht-öffentliche/Individualmeinung → können aber müssen nicht im Zusammenhang stehen und können sich grundsätzlich verschieden äußern
  • Kritik v. Pollock an quantitative Meinungsforschung: Öffentliche Meinung = mehr als die Summe der Einzelmeinungen
  • Gruppendiskussion als diskursiver Kontext fördert die Kommunikativität der geäußerten Einzelmeinungen auf Seiten der individuellen Meinungsträger
  •  In isolierten Situationen für Individuen schwieriger Individualmeinung dezidiert zu äußern → Gruppendiskussion schärft durch Gruppenkontrolle eigene Äußerung

Das Gruppendiskussionsverfahren als Erhebungsinstrument von informellen situationsunabhängigen Gruppenmeinungen bzw. sozialen Konsensen (Mangold)

  •  Individualmeinungen von sozialen Kontexten abhängig →  unterliegen kollektiven Orientierungsmustern
  • Mangold sah Stärke des Gruppendiskussionsverfahren darin, herausarbeiten zu können, wie sich innerhalb der diskursiven Dynamik von Gruppendiskussionsprozessen Konsens zwischen den TeilnehmerInnen herausbilden
  • Konsens nennt er „informelle Gruppenmeinung“ → Ausdruck dahinterliegender kollektiver Meinungsmuster, die sozialkontextuell bedingt sind und nicht situativ sondern allgegenwärtig sind

Das Gruppendiskussionsverfahren als Erhebungsinstrument von situationsabhängigen Gruppenmeinungen (Nießen)

  •  Nießen versuchte in den 1970er Jahren in seinen Arbeiten zu beweisen, dass Meinungen und Einstellungen sich erst in der diskursiven Situation des Gruppendiskussionskontext situativ herausbilden
    → Falle: Validität des Verfahrens im Hinblick auf die Erforschung kollektiver Deutungsmuster in Frage gestellt
    → Bohnsack liefert in 1980er Jahren methodologische Fundierung, hilft aus Sackgasse

Das Gruppendiskussionsverfahren als Erhebungsinstrument von kollektiven Orientierungsmustern (Bohnsack)

  • Bohnsack 1980er Jahren Weiterentwicklung, berücksichtigte die sozialkonstruktivistische Erkenntnis, dass Gruppenmeinungen vom diskursiven Kontext und von Diskursorganisation abhängig sind, vermeidet aber “Irrweg”, dass Meinungen erst situativ herausgebildet werden
  • Fundierung seines Konzepts auf der Grundlage der Wissenssoziologie von Karl Mannheim
  • Kollektive Orientierungsmuster sind sozial geteilte Sinnstiftungsmuster, die intuitives Verstehen ermöglichen, es also nicht erforderlich machen, Sinn kommunikativ auszuhandeln, um (Fremd-)Verstehen zu ermöglichen
  • Kollektive Orientierungsmuster beruhen auf sozial geteilten Erfahrungen
  • GDV macht es empirisch möglich milieu-,  geschlechter- und generationsgebundene also seinsgebundene (a la Mannheim) Deutungsmuster zu rekonstruieren

Grenzen des Gruppendiskussionsverfahrens nach Loos/Schäffer:

  • Ungeeignet zur Erfassung und Analyse individueller Biografien
  • Subjektive Intentionen und Motive können nur vermutet werden
  • Handlungspraxen können nicht analysiert, nur das Reden über diese interpretiert werden
    → eventuell Ergänzung des Verfahrens durch andere Verfahren
    → Anpassung der Dimension des Gegenstandes an Möglichkeiten und Einschränkungen (z.B. Fragestellung anpassen)
    → Reflexion der Methode und deren Auswirkungen auf den Forschungsgegenstand

  • Vielzahl an Varianten von Gruppendiskussionsverfahren, die jeweils vom Verfahren her unterschiedliche methodische und thematische Schwerpunkte setzen
  • Zusammensetzung Gruppe, Dauer Gespräch, Art Diskussionsleitung usw. je nach Bedarf/Erkenntnisinteresse variable; Variationsmöglichkeit fast unbegrenzt
  • Jeweilige Ausgestaltung von GDV ist von thematischen Forschungsinteressen und Forschungszielen abhängig, da sich Ausprägung der weiteren Dimensionen daraus ergeben (Sampling, diskursive Organisation, Leitfaden, Stimuli, Auswertung)
  • Ziele könnten sein:
    o   Exploration von Meinungen und Einstellungen einzelner TeilnehmerInnen unter    Gruppenkontrolle
    o   Ermittlung von Meinungen und Einstellungen spezifischer Gruppen
    o   Erforschung gruppenspezifischer Handlungs- und Verhaltensweisen
    o   Exploration von gruppendynamischen Prozessen, die zur Herausbildung konsensualer Meinungen und Einstellungen führen
    o   Exploration von Motivationsstrukturen
    o   Erhebung kollektiver Orientierungsmuster

Einige konkrete praktische Aspekte, die reflektiert werden müssen, um Entscheidungen treffen zu können (→ Tabelle)

Grundprinzip Diskussions verfahren Art der Diskussions leitung Art der Stimuli Gruppenzusammensetzung
• Ermittelnd • Vermittelnd • focus group •Gruppendiskussion •Expert/inn/en-Runde • Thematische Strukturierung
• Offenheit der Diskussion
• Formal strukturierter Verlauf
• Formal unstrukturierter Verlauf
• Neutralität der Diskussionsleitung • Engagierte Diskussionsleitung • Direktive Gesprächsführung • Nondirektive Gesprächsführung
Direktive Stimuli:
• Provokative • Suggestive
• Konfrontative • Präsuppositive • Deutende
• Wertende
• Steuernde
• zirkuläre   Nondirektive Stimuli:
• offen-vage
• Initiierung eines seibstläufigen Diskurses   Immanent vs. exmanent   visuelle Stimuli   sprachliche Stimuli
Künstliche Gruppen:
• homogen
• heterogen

Realgruppen (natürliche Gruppen):
• loser Verband
• stark kohäsiver Verband (z.B. Familie)

Einordnung unser eigenen Aufgabe der Gruppendiskussion in der Tabelle:
○ Ermittelnd
○ Gruppendiskussion
○ Offenheit der Diskussion
○ Formal unstrukturierter Verlauf
○ Neutralität der Diskussionsleitung
○ Non-direktive Gesprächsführung, allerdings kann es bei
Gesprächsstagnation und später noch offenen Fragen zu direktiver
Gesprächsführung kommen
○ Non-direktive Stimuli am Anfang: offen-vage Frage zu Reisen
○ Immanente Fragen zu Beginn, sollte es später noch Themen geben die
nicht angesprochen wurden benutzen wir exmanente Fragen
○ Realgruppen im losen Verband

Gruppen und Gruppenzusammensetzung:

❏ Realgruppe finden, bei der keine eigene Betroffenheit besteht
❏ Vorher über die Gruppe informieren
❏ sympathische und interessierte Haltung bei der Kontaktaufnahme
❏ direkte Kommunikation und zeitige Kontaktaufnahme
❏ Probleme und Besonderheiten bei Kontaktaufnahme notieren
❏ bei Unsicherheit der Gruppe Gründe hinterfragen und Entscheidung über weitere
Zusammenarbeit treffen

Vorbereitung:

❏ Verfahren auswählen:
❏ Standardisiertes Verfahren: Reproduzierbarkeit der Ergebnisse wird durch
die Standardisierung des Verfahrensablaufs seitens des Forschenden
gewährleistet
❏ Rekonstruktives Verfahren: basiert auf den Strukturen/Standards
alltäglicher Kommunikation
❏ Offenes Verfahren: verzichtet auf Standardisierung/Strukturierung
❏ Liste anfertigen mit Themen, die unbedingt bearbeitet werden sollen
❏ Passenden Ort finden: ein der Gruppe bekannter Ort, geschlossener,
angenehmer Raum (evtl. lüften/heizen) mit Tisch, möglichst ohne Störquellen
❏ Mindestens zwei geladene Aufnahmegeräte mitbringen, Aufnahmefähigkeit
überprüfen und an verschiedenen Positionen platzieren
❏ Aufbau des Raumes während die Gruppe anwesend ist (je nach Gruppe)
❏ Kommentieren, was man tut (lockeres Gespräch anfangen)
❏ Gläser und Getränke verteilen

Durchführung

Eröffnungsphase:
❏ Kurze Vorstellung von Personen und Projekt
❏ Auf Anonymisierung hinweisen und Diskretion versichern
❏ Erläuterung, wie man sich die Diskussion vorstellt:
❏ Teilnehmerinnen sollen so miteinander reden, wie sie es sonst auch tun ❏ Diskussionsleitung hält sich weitgehend heraus und antwortet erst später auf Fragen ❏ Interesse an den Erfahrungen der Teilnehmerinnen
❏ Nach Einverständnis die Aufnahme starten
❏ Evtl. kurze Vorstellungsrunde, in der für die Auswertung relevante Daten genannt
werden sollen (z.B. Name, Alter) und durch die die Stimmen den Sprecher*innen
zugeordnet werden können
❏ Eingangsfrage stellen, Grundreiz (standardisiert)

Während der Diskussion:
❏ Gruppe selbstläufig entfalten lassen
❏ bei Fragen an die Diskussionsleitung: wiederholen, dass Fragen erst am Ende
beantwortet werden/Eingangsfrage wiederholen/Schweigen
❏ Fragen und Themeninitiierung:
❏ Immanente Fragen, die auf Erzählungen und Beschreibungen abzielen
❏ nur, wenn Redefluss der Gruppe stoppt
❏ vage formulierte Fragen und Fragereihungen stellen
❏ keine neuen Themen einbringen
❏ Fragen ans Kollektiv und nicht an Einzelpersonen stellen, nicht in die
Verteilung der Redeanteile eingreifen
Sind gruppenrelevante Themen abgearbeitet und der Redefluss stoppt:
Phase der exmanenten Nachfragen:
❏ Forschungsrelevante Themen ansprechen, die von der Gruppe noch nicht
behandelt wurden (vorbereitete Liste verwenden)
❏ Fragen weiterhin vage formulieren, nicht ablesen
❏ Themen zuende besprechen lassen

Direktive Phase:
❏ Widersprüche und Inkonsistenzen während der Diskussion ansprechen →
abzielen auf argumentative Antworten
❏ fragen, ob noch etwas offen geblieben ist, das besprochen werden sollte
❏ Abschluss der Gruppendiskussion

Direkt nach der Diskussion:
❏ Falls nicht am Anfang geschehen: wichtige Daten der Teilnehmenden erfassen
(per Kurzfragebogen oder mündlich)
❏ Aufnahme speichern und dabei auf Datenschutz achten
❏ Handschriftliches Kurzprotokoll erstellen: Datum, Codename der Gruppe,
Mikrofonposition, Position der Teilnehmenden und zusätzliche Informationen, die
zur Identifikation der Sprechenden nützlich sind (anonymisiert)

Auswertung: Prozessanalyse und Komparative Analyse
❏ Prozessanalyse → genaue Rekonstruktion, wie die einzelnen
Redebeiträge aufeinander bezogen sind (Diskursorganisation).
❏ Analyse von Interaktionen in ihrem sozialen Kontext
❏ Immanenter Sinngehalt erzählt den dokumentarischen Sinngehalt:
„Das, was gesagt, berichtet, diskutiert wird, also das, was
thematisch wird, gilt es von dem zu trennen, was sich in dem
Gesagten über die Gruppe dokumentiert . Dies ist die Frage
danach, wie ein Thema, d.h. in welchem Rahmen es behandelt
wird.“ (S.383). Der dokumentarische Sinngehalt erschließt sich erst,
wenn der Diskursprozess berücksichtigt wird
❏ Dramaturgie des Diskurses muss berücksichtigt werden
(Fokussierungsmetaphern: metaphorische Dichte und interaktive
Dichte)
❏ formulierende Interpretation: thematische Gliederung, thematische
Entschlüsselung der meist impliziten thematischen Struktur
❏ reflektierende Interpretation: Rekonstruktion der
Orientierungsmuster/ des Orientierungsrahmens, Rekonstruktion
der Formalstruktur der Texte (nicht thematische Struktur):
Rekonstruktion der Diskursorganisation, d.h. wie nahmen die
Teilnehmenden aufeinander Bezug?
❏ Typenbildung: Gemeinsamkeiten der Fälle und milieutypische Kontraste
der Bewältigung dieser Erfahrung müssen gefunden werden
❏ Generierung einzelner Typiken und Generierung der
Struktur, durch die Typologien werden zusammengehalten
❏ Interpretative Codes
❏ Modell der Repräsentanz
❏ Komparative Analyse: Ergebnisse dann mit anderen Diskursen
vergleichen (durch Standardisierung zumindest der
Ausgangsfragestellung) Der Orientierungsrahmen stellt sich hier erst
durch den Vergleich mit anderen Gruppen heraus (wie wird dasselbe
Thema in anderen Gruppen bearbeitet?) – Reproduzierbarkeit

Cook-Gumperz, Jenny
Soziolinguistin; in ihren Arbeiten mit John Gumperz unterscheidet sie zwischen die
immanente und exmanente Sinnebenen; verabschiedet sich in ihren Studien von
einzelnen Individuen und konzentriert sich auf kollektive Identitäten. Die
Untersuchung der kommunikativen Stile der Teilnehmenden (v.a. Die
Kontextualisierungshinweise) hat es ermöglicht Zugehörigkeiten zu Gruppen,
Kollektiven, oder Milieus zu analysieren (Bohnsack, 379)

direktive Phase
Widersprüche und Inkonsistenzen der offenen Fragen ansprechen

diskursive Formationen
demographische Kriterien (wie z.B. Beruf, Ausbildung, Alter), die die Teilnehmenden
der Gruppendiskussion repräsentieren (Bohnsack, 373)

Diskursorganisation
die Art der interaktiven Bezugnahme, die in den Analysen rekonstruiert wird. Das
Sinnmuster wird durch die Forschenden in ihrer formalen Struktur rekonstruiert.
Diese Struktur ist davon abhängig, ob ein Erlebniszusammenhang gegeben ist und
damit auch eine Gruppe (Bohnsack, 379)

dokumentarische Interpretation
die Interpretation der Orientierungsstruktur, die durch die Interaktionen der
Erforschten produziert wird (Bohnsack, 375)

Emergenz
interpretative Codes werden erst in den Diskussionsgruppen hergestellt (Bohnsack,
374)

exmanente Fragen
Fragen über Sachverhalte/Themen, die noch nicht angesprochen wurden, aber
wichtig sind

Focus group
eine nach dem Zufallsprinzip zusammengestellte Gruppe, deren Teilnehmenden
sich nicht kennen . Bei dieser Methode wurden Probleme der Gültigkeit und
Zuverlässigkeit beobachtet. Die Interaktionen zwischen den Teilnehmenden wurden
häufig nicht berücksichtigt. (Bohnsack, 372)

Fokussierungsmetaphern
das Verhalten und Handeln der Gruppe, das wiederholt und somit zum Muster
wird(bzw. die metaphorischen und interaktiven Dichten) (Bohnsack, 376)

Gruppenmeinung
im Vergleich zu der Auswertung von Einzelmeinungen, in der man aus den
individuellen Stimmen Gemeinsamkeiten zusammenstellt, wird die Gruppenmeinung
durch die Interpretation kollektiver Interaktionen hergestellt (Bohnsack, 370). Durch
die Gruppenmeinung entsteht durch die Interaktionen der Teilnehmenden ein
deutlicheres Bild eines Milieus.

Gumperz, John
Soziolinguist; verabschiedet sich in seinen Studien von dem einzelnen Individuum
und konzentriert sich auf kollektive Identitäten (Bohnsack, 379)

Immanente Fragen
Fragen, die sich direkt auf das vorher Erzählte beziehen (z. B. auf Unklarheiten, auf
Dinge, die nur angedeutet, aber nicht ausgeführt wurden, etc.)

interaktionsorientiertes Sinnverstehen
Hinter den Äußerungen eines Gruppendiskussionsmitglieds stehen immer diskursive
Strategien und kollektive Orientierungsmuster

interaktive Dichte
Verhalten und Handeln eines Individuums der Gruppe in Interaktion mit den anderen Teilnehmenden (Bohnsack, 376)

Interpretation (im Sinn von Cook-Gumperz/Gumperz)
Eine Sinnebene, die von dem kommunikativen Charakter des Individuums von
Bedeutung ist, aber auch von der Interaktion. „Was interpretiert werden soll, muss
durch Interaktion zunächst einmal hergestellt werden, ehe die Interpretation
beginnen kann.“ (Bohnsack, 379)

interpretative Codes
milieuspezifisches Verhalten und Handeln, das im Diskurs der Gruppendiskussion
reproduziert wird (Bohnsack, 373-374)

kollektiver Orientierungsrahmen
Gemeinsamkeiten, wie z.B. Alter, die aber die Individuen nicht in direkte
Kommunikation bringen (Bohnsack, 377). Hier spricht man nicht von einer Gruppe,
sondern von einem Kollektiv

komparative Analyse
Ergebnisse von einer Gruppendiskussion werden mit den Ergebnissen einer
anderen Gruppe mit dem gleichen Orientierungsmuster verglichen. (Bohnsack, 383)

konjunktiver Erfahrungsraum
Gemeinsamkeiten des Handelns, der Sozialisationsgeschichte. Eine Kollektiviät, die
dadurch entsteht, dass deren Zugehörigen gemeinsame Erfahrung teilen (Bohnsack,
377); MitgliederInnen einer Gemeinschaft, die wesentliche Aspekte einer
Weltanschauung teilen, bilden eine Kollektivität. Diese Kollektivät hat ähnlichen
Denkmuster und Wissensstrukturen und machen daher ähnliche Erfahrungen. Das,
was sie teilen, nennen wir den konjunktiven Erfahrungsraum.

konjunktives Erfahrungswissen in Aktion
Interaktionen/Diskursorganisationen, in denen sich das erfahrungsbasierte,
habitualisierte Wissen der kollektiven AkteurInnen ausdrückt

konjunktives Wissen
Implizites Wissen, das Denken und Handeln bestimmt; wird durch geteilte
Erfahrungen erworben und ist daher erfahrungsbasiertes, habitualisiertes Wissen

Mangold, Werner
Soziologe der Frankfurter Schule; entwickelte (ca. 1960) das Konzept der
Gruppenmeinung, um weg von dem vorherigen Fokus auf Einzelmeinungen zu
kommen. (Bohnsack, 370)

Mannheim, Karl
Entwickelte (ca. 1980) das Modell kollektiver Orientierungsmuster (S.374)

Merton, Robert K.
Amerikanischer Soziologe und Begründer der modernen Soziologie; entwickelte das
Konzept der „focus group“. Merton verwendete dieses Verfahren ursprünglich in der
Rezeptionsforschung von Propagandasendungen des zweiten Weltkriegs und später
in Marktforschung. Merton zufolge war dieses Verfahren nur für die Generierung
Forschungsfragen und Hypothesen geeignet (ca. 1957). (Bohnsack, 372)

metaphorische Dichte
detaillierte Darstellung von Metaphern (Beschreibungen und Erzählungen)
(Bohnsack, 376)

Modell der Repräsentanz
Die Gruppe repräsentiert ein Milieu, dessen Verhalten und Handeln in den
Diskussionsgruppen reproduziert wird. (Bohnsack, 374)

Morgan/Krueger
versuchten (ca. 1988) Mertons Focus-Group-Verfahren bei der
sozialwissenschaftliche Forschung anzuwenden. Ihre Arbeit wurde aber aufgrund
einer fehlenden theoretischen und methodologischen Grundlegung stark kritisiert.
Ihre Methode schien eher für die Produktion von Hypothesen geeignet. (Bohnsack,
372)

Morley, David
Entwickelte die methodologische Fundierung der Gruppendiskussion, in der der
Fokus auf der Prozesshaftigkeit und dem interaktiven Charakter der Methode
gerichtet wurde. (Bohnsack, 373)

Negationsphase
Phase größerer, persönlicher und kognitiver Umstellung
offenes Verfahren es wird auf eine Standardisierung der Struktur der Gruppendiskussion verzichtet. (Bohnsack, 377)

Orientierungsstruktur/Orientierungsmuster
; Sinnzuschreibungen eines bestimmten Milieus, die durch die Reproduktion in der
Gruppendiskussion erkannt werden können; sie haben sozial geteilte
Sinnstiftungsmuster, die intuitives Verstehen ermöglichen, es also nicht erforderlich
machen, Sinn kommunikativ auszuhandeln, um (Fremd-)Verstehen zu ermöglichen

Phase exmanenter Nachfragen
in dieser Phase der Gruppendiskussion, nachdem der Höhepunkt erreicht wurde,
dürfen die Forschenden weitere Fragen stellen, die fürs Thema relevant sind
und/oder noch nicht in der Diskussion abgearbeitet wurden. (Bohnsack, 382); Phase
gegen Ende des Verfahrens, in der die Diskussionsleiter*in Bereiche und Themen
anschneidet, die von der Gruppe noch nicht diskursiv bearbeitet wurden, die aber für
das Erkenntnisinteresse relevant sind

Realgruppen:
Gruppen, die auch außerhalb der Erhebungssituation existieren und eine
gemeinsame Erfahrungsbasis haben (hinsichtlich bestimmter Dimensionen relativ
homogen)

referenzieller Sinngehalt
wörtliche Sinnebene; immanente Sinngehalt

rekonstruktives Verfahren
basiert auf alltäglichen Maßstäben der Kommunikation (Bohnsack, 377)
Repräsentanz
Interpretative Codes werden im Diskurs aktualisiert und somit reproduziert
(Bohnsack, 374)

Reproduzierbarkeit
Dieselben Meinungen müssen in einer zusätzlichen Gruppendiskussion erfasst
werden, um die Genauigkeitskriterien empirischer Forschung zu erfüllen. (Bohnsack,
371)

Seinsgebundenes Wissen (Mannheim)
Wissen ist nie losgelöst von Sozialisierung/gesellschaftlichen Denkmustern etc.,
sondern hängt immer mit gesellschaftlichem Sein zusammen, also Kultur, Aufbau
der Gesellschaft, Generation, Geschlecht, Klasse usw.

soziogenetische Rekonstruktion (Mannheim)
Rekonstruktion von Weltanschauungs- und Denkstilmuster und deren Herstellung
durch koexistentiellen Erfahrungswelten von Kollektiven/Gemeinschaften

standardisiertes Verfahren
strukturierter Ablauf, der die Erfüllung der Genauigkeitskriterien gewährleistet. Dies
ermöglicht die Vergleichbarkeit der Gruppendiskussion (Bohnsack, 377)

subjektive Relevanzsysteme
jede Person handelt und nimmt je nach Relevanzsystem Dinge unterschiedlich war;
für manche Personen ist z.B. ein Thema relevant, für Andere aber uninteressant

Willis, Paul
Entwickelte die Grundlagen der Gruppendiskussion. (Bohnsack, 373)

 

Przyborski & Wohlrab-Sahr
Qualitative Sozialforschung Auswertungspraxis (292-314)

Passagen 
kleinste Einheit des behandelten Themas für einzelne Interpretationen

Fokussierungsmetaphern
Passagen, die sich auffällig vom Rest unterschieden, beispielsweise
durch Interaktion wie raschen Sprecherwechsel, größere Pausen, Wechsel des Erzählstils

Feingliederung
Abgrenzung von Ober- und Unterthemen des Gesagten nach Inhalt

Orientierungsgehalt/Sinngehalt
erkennbare Muster in Handlungen/Aussagen der Teilnehmer,
zum Beispiel (gemeinsame) Erfahrungsräume

Positiver und negativer Orientierungshorizont
Eckpunkte für den Orientierungsrahmen; was ist das erstrebenswerte Ideal und was nicht

Orientierungsrahmen
Rahmen, in dem sich die Horizonte bewegen, Bsp.: Mutterschaft als Rahmen,
eine “gute Mutter“ sein als positiver Orientierungshorizont, soziale Benachteiligung durch
Mutterschaft als negativer Orientierungshorizont

Orientierungsdilemma
Situation, in der sich positiver und negativer Orientierungshorizont gegenseitig
ausschließen, Bsp.: Risiko der Benachteiligung aufgrund von Mutterschaft sehr hoch in einer
patriarchal geführten Gesellschaft

Enaktierungspotenzial
Einschätzung der Fähigkeit die Orientierungen umzusetzen

Sequenzanalyse
Analyse der gesamten Äußerungen (Wort für Wort) als Hilfe zur Interpretation;
Stichwort verschiedene Lesarten

Diskursorganisation
formale Struktur und Bewegungen des Diskurses und den verschiedenen
Diskursmodi

Diskursmodi
parallel (eine Geschichte erfolgt auf die andere oder unterbricht diese), univok
(sprachliche Ausdrücke mit gleichen Bedeutungssinn, Bsp.Tische und Stühle sind beides Möbelstücke), divergent (voneinander entfernt/unterschiedlich verlaufend), oppositionell (entgegengesetzt))

Proposition
Aspekte einer Orientierung werden im Gespräch zum ersten Mal aufgeworfen, somit
entsteht eine These

Elaboration
jegliche Aus- und Weiterbearbeitung einer Orientierung; z.B. durch Beispiele oder Argumente

Exemplifizierung
konkretes Beispiel

Differenzierung
Weiterbearbeitung einer Orientierung, bei der sie von anderen Orientierungen
abgegrenzt wird

Validierung
Bestätigung der Orientierung; Zustimmung

Ratifikation
Zustimmung im Sinne von Verstehen des Gesagten

Antithese
Proposition wird verneint und/oder gegensätzlicher Horizont wird eingebracht

Opposition
Gegenentwurf zu einer Orientierung, der mit dieser nicht vereinbar ist

Divergenz
Auseinanderentwicklung des Gespräches (aneinander vorbeireden)

Konklusion
Schlussfolgerung; kann entweder rituell sein (provoziert durch einen Themenwechsel)
oder “echt“ (Orientierung erscheint abschließend)

Transposition
Konklusion, die gleichzeitig Proposition ist

Homologie
hier sind immer wieder auftretende Sinnmuster innerhalb des Gesagten gemeint

Basistypik
gemeinsames Erkenntnisinteresse des Gesprächs; könnte zB. Migration, Geschlecht etc. sein

maximale und minimale Kontraste
spezifizieren jeweilige Basistypiken

Geschlechtsspezifische Sphärendifferenz
Trennung von Sphären, um Vergleiche zu ermöglichen;
hier bspw. Privatheit/Öffentlichkeit oder auch homogen/heterogen

Orientierungsfigur/Tertium Comparationis
drittes Glied eines Vergleichs, mit dem zwei andere
Begriffe erklärt werden (Bsp. Pol für Nord- und Südpol)

Danke, dass Sie heute bereit sind, mit uns zu sprechen. Wir sind x und y von der Uni
Freiburg und möchten für ein Seminar eine Gruppendiskussion von Ihnen aufnehmen.
Dafür bitten wir Sie, so miteinander zu reden, wie Sie es sonst auch tun. Wir als
Diskussionsleitung werden uns weitestgehend zurückhalten. Auf Fragen können wir
gerne nach der Diskussion eingehen. Mit der Eingangsfrage geben wir Ihnen einen
Impuls für die Diskussion, die Themen sind Ihnen aber freigestellt. Trauen Sie sich
ruhig, alles zu sagen, es gibt keine falschen Aussagen. Uns interessiert besonders,
welche Erfahrungen Sie gemacht haben. Ihre Namen und das Gesagte werden
anonymisiert, die Aufnahmen werden nur in unserer Gruppe besprochen und die
Ergebnisse in unserem Seminar. Trotzdem würden wir Sie bitten, sich vorher einmal
kurz mit Name und Alter vorzustellen. Gerne können Sie auch erzählen, wie lange Sie
sich schon kennen, … Diese Infos bleiben unter uns, helfen uns aber, das Gesagte auf
den Aufnahmen später den einzelnen Personen zuzuordnen. (Auf Rückfragen,
Unsicherheiten reagieren). Damit würden wir nun beginnen und wenn Sie
einverstanden sind, starten wir jetzt die Aufnahme. (Aufnahmegerät starten)
(Vorstellungsrunde) Danke. Dann können wir nun mit der Diskussion beginnen. Die
Einstiegsfrage lautet: Was bedeutet Reisen für Sie?
Liste der Themen, die unbedingt besprochen werden sollen: Reisen und
Umweltbewusstsein